Geräucherter Kochschinken , 09.10.2017

Gebeizt, gesalzt, gepökelt, gegart, geräuchert (Bitte nur eigenes)
Antworten
Benutzeravatar
Jemand
Räuchergeselle
Räuchergeselle
Beiträge: 286
Registriert: Do 7. Dez 2017, 19:17
Vorname: Tamás
Wohngegend: Dresden
Land: Sachsen
Hat den Daumen gehoben: 115 Mal
"Daumen hoch" erhalten: 96 Mal

Geräucherter Kochschinken , 09.10.2017

Beitragvon Jemand » Fr 15. Dez 2017, 20:51

Beitrag: # 1171Beitrag Jemand »

Heiß geräucherter Kochschinken - die ultimative Anleitung



Seit dem RT 2017 beim Walter in Neumarkt, bin ich öfter gefragt worden, wie ich meinen Kochschinken mache, damit er so schön saftig und auch die Schwarte genießbar bleibt. Trotz der vielen sehr guten Beiträge hier im Forum bezüglich der Kochschinkenherstellung tauchen immer wieder Fragen auf, „mein Kochschinken ist trocken und zu salzig was mache ich falsch“.

Ich wende mich mit diesem Beitrag an diejenigen, die die ersten Schritte bereits gewagt haben aber das erhoffte Geschmackserlebnis leider nicht erzielen konnten aber auch an die, die einen schönen saftigen Kochschinken selber herstellen möchten. Ich möchte für diese Freunde eine Anleitung mit geling Garantie in die Hand geben, dabei auch die wichtigsten Grundlagen erläutern. Damit will ich jeden ermutigen, es nicht aufzugeben, sondern sich einfach mal an diese Schritt für Schritt Anleitung orientieren.

1. Ein kurzer Ausflug in die Theorie

Fleisch besteht grob gesagt aus Muskelgewebe, Fettgewebe, Bindegewebe, Proteine, Sehnen und Wasser, die inneren Organe lassen wir jetzt beiseite.

Die Proteine (Eiweiß), befinden sich in den Geweben und besitzen verschiedene Strukturen mit unterschiedlichen Eigenschaften. Diese Eigenschaften können durch denaturieren (z.B. durch Hitze, Bestrahlung oder mechanisch), verändert oder gänzlich gelöscht werden. Proteine haben u.a. ein sehr hohes Wasserbindevermögen, was durch Hitzeeinwirkung zerstört werden kann. Dieser Prozess beginnt bereits bei 50°C und bei 68°C sind die Proteine vollkommen denaturiert. Es erfolgte ein unumkehrbarer Prozess, vergleichbar mit der Rühreiherstellung, je länger die Eier der Hitze ausgesetzt sind, umso trockener wird das Rührei, der alte Zustand ist nicht mehr wiederherstellbar.

Bei 80°C beginnt auch das Bindegewebe (ebenfalls mitverantwortlich für die Wasserbindung) sich ebenfalls aufzulösen.

2. Fleischauswahl

Wer die Möglichkeit hat den pH Wert zu messen, sollte es auch tun. Auch ohne teure Hardware möglich, z.B. mit dem pH-Indikatorstreifen „Spezieller Indikator für die Qualitätsprüfung von Fleisch, MColorpHast™“ (pH Bereich 4-7).
Optimal sind die Werte zwischen pH 5,8-pH 6,2. Für den Kochschinken sollte generell frisches Fleisch verwendet werden, TK-Ware ist no-go!

Wenn Schlachttiere vor dem Schlachten Stress ausgesetzt sind, erhöht sich die Milchsäureproduktion. Nach der Schlachtung ist aber die Abführung der überschüssigen Milchsäure aus der Blutbahn nicht mehr möglich, folglich findet eine Absäuerung des Gewebes statt und der pH Wert sinkt unter 5,8. Die Proteine werden zum Teil denaturiert. Dieses Fleisch besitzt ungenügende Wasserhaltevermögen, folglich wird beim Garprozess ein hohes Gewichtsverlust auftreten und der Kochschinken wird trocken. Siehe auch PSE Fleisch.

Auch wenn in manchen Rezepten im Internet für die Herstellung des Kochschinkens jedes Fleisch empfohlen wird, beschränken wir uns für einen saftigen Kochschinken auf die Oberschale oder Unterschale vom Schwein, gleiches auch von der Vorderkeule und auf die Nuss/Kugel. Im Großhandel kann man übrigens wunderbar zurechtgemachte Kochschinkenrohlinge vom Schwein bekommen, diese bestehen aus der Ober-und Unterschale von der Vorder-oder Hinterkeule und sind dementsprechend auch größer, so ab 5-6kg.

Ich empfehle immer die Schwarte dranzulassen, die darunterliegende Fettschicht gibt dem Schinken einen zusätzlichen Aroma. Dieser Schinken in feinen Scheiben geschnitten serviert ist ein schöner Anblick.

3. Hardware

Messer, Schneidbrett, Pökelspritze, Vakuumierer, Vakuumbeutel, Schinkenpresse, Einwecktopf, Grillthermometer, Aufschnittmaschine mit Schinkenmesser.



4. Gewürze

Verwendet keine überalterten Gewürze! Diese sind z.T. von Natur aus hygroskopisch, ziehen Feuchtigkeit an und verlieren dadurch an Geschmack. Wenn sie dann auch noch Tütenweise im Schrank gelagert sind, werden die Düfte und Aromen gegenseitig ausgetauscht.

Gewürze gehören dicht verschlossen, dunkel und kühl gelagert.

5. Vorbereitung, räuchern, kochen

Das Fleisch parieren, d.h. von Sehnen und Häutchen befreien, lose Teile abschneiden. Pariertes Fleisch abwiegen.

10%-ige Pökellake herstellen, Lorbeer, Knoblauchpulver, weißer Pfeffer, Sellerie, Rohrzucker, Maggikraut und Thymian zugeben, kurz aufkochen, Lorbeerblätter und Sellerie rausnehmen und auskühlen lassen.

Die Lake filtern und mit der Spritze, 20-25% vom Fleischgewicht in das Fleisch verteilen, d.h. aller 3-4 cm einspritzen, dabei wird das Fleisch "aufgepumpt". Ausgelaufene Lake auffangen, das gespritzte Fleisch in eine Vakuumtüte legen, die restliche Lake dazugeben. Die Luft möglichst vollständig aus der Tüte raus drücken (oder vorsichtig vakuumieren) und Tüte zubinden, das Fleisch 3-4 Tage im Kühlschrank bei 4-6 °C pökeln, täglich wenden und dabei leicht massieren.

Dann das Fleisch raus nehmen, (die Restlake aufheben) im Heißräucherschrank bei 50-55°C, 30-60 Minuten trocknen, die Tür einen Spalt offen lassen damit die Feuchtigkeit raus kann. Wenn die Oberfläche abgetrocknet ist, bei 60-62°C etwa 20-30 Minuten heiß räuchern bis eine Schöne Färbung erreicht ist. Hellere Farbe hat etwas weniger intensiven Rauchgeschmack, dafür wird die Schwarte essbar, bei dunklerer Färbung kommt die Rauchnote sehr gut rüber aber die Schwarte wird nicht gar.

Der geräucherte Schinken kommt jetzt in die Schinkenpresse. Die Restlake mit in die Presse geben.

Der Schinken gelingt am besten wenn er schonend gekocht, (eigentlich gegart) wird. Mit dem delta-T oder Stufenkochen-Verfahren wird die Kerntemperatur allmählich angehoben und dadurch das Hitzeempfindliche Protein nur leicht verändert, nicht zerstört.

Im Einwecktopf Wasser auf 50°C vorheizen, die Presse mit dem Schinken reinstellen und auf 25°C Kerntemperatur aufheizen. Dann die Temperatur des Kochwassers auf 65°C anheben und weitergaren bis 50°C Kerntemperatur, zum Schluss Wassertemperatur auf 70°C stellen und bis 67°C Kerntemperatur garen. Mein letzter Versuch, zeigte, dass mit max. 70°C Kochwassertemperatur zwar etwas länger dauert, aber der Schinken saftiger wird, besonders wenn er ohne Schwarte und Fettrand angesetzt wurde, z.B. bei der Nuss.

Bei 67°C Kerntemperatur die Form rausnehmen und unter kaltem Wasser abkühlen, die Kerntemperatur zieht dann noch 1°C nach. Im Kühlschrank bei 2-4°C mindestens 12 Stunden abkühlen.

Anschließend aus der Form nehmen, leicht abspülen, trocken tupfen.

6. Haltbarkeit

Diese Kochschinken ist im Kühlschrank bei ~4°C 14 Tage haltbar. Eingeschweißt und im Haushaltkühlgerät tiefgefroren aber ohne Schockfrostung wird die Haltbarkeit sicherlich verlängert, trotzdem sind Qualitätsverluste bezüglich der Saftigkeit einzukalkulieren.

7. Rezept Die Mengenangaben beziehen sich auf 1000g pariertes Fleisch.

10%-ige Pökellake 250ml (900ml Wasser + 100g NPS = ~1000ml Pökellake 10%)
Pfeffer weiß gem. 2,0g
Knoblauchgranulat 2,0g
Selleriepulver 2,0g oder
Sellerie frisch 20,0g
Perbrella/Thymian 2,0g
Lorbeerblatt 2 x
Brauner Zucker 3,0g
Maggikraut 1-2 Blätter
Zusammenfassende Hinweise

Beim Spritzen bitte dafür sorgen, dass die Lake überall hinkommt.
Die abgekühlte Lake unbedingt filtern, sonst gibt es unschöne dunkle Stränge im fertigen Schinken
Die maximalen Temperaturen streng einhalten:
Trocknen 50-55°C
Heißräuchern 60-62°C
Kochen 67°C Kerntemperatur
Kochwasser 70°C
Wer geräuchertes nicht mag, einfach das Räuchern Pkt.5. Abs. 4 einfach weglassen.
Gutes Gelingen und guten Appetit.
Liebe Grüsse aus Dresden
Tamás
Benutzeravatar
Jemand
Räucherlehrling
Räucherlehrling
Beiträge: 86
Registriert: So 14. Jan 2018, 19:24
Vorname: Ralf
Wohngegend: Bachgau
Land: Deutschland
Hat den Daumen gehoben: 31 Mal
"Daumen hoch" erhalten: 28 Mal

Re: Geräucherter Kochschinken , 09.10.2017

Beitragvon Jemand » Sa 9. Feb 2019, 19:51

Beitrag: # 8681Beitrag Jemand »

Hallo Tamas,
Nachdem ich auf dem RT bei Birgit in den Genuss Deines Kochschinken kommen durfte, hab ich es endlich geschafft ihn nachzubasteln. Ja was soll ich sagen, ein Träumchen. Ich glaube das Geheimnis ist wirklich die genaue Einhaltung der Temperatur. Da meine Oberschale zu groß für meine Schinkenpresse war, musste ich sie teilen. Ein Stück habe ich also in der Schinken Presse gegart, eins vakuumiert zusammen mit der Schinken Presse im Topf und das dritte Stück vakuumiert im Dampfgarer. Am saftigsten war das Stück aus der Schinkenpresse, gefolgt von dem das im Topf mit gegart wurde. Das Stück aus dem Dampfgarer war am "trockensten". Wobei das auch relativ ist. Er war trotzdem noch gut, aber eben trockener als die anderen. Ich führe das auf die Hysterese des Dampfgarer zurück, die bestimmt 5° ist. Die Temperatur in der Schinkenpresse habe ich mit Thermometer überwacht. Die Garzeit betrug für die 2kg ca. 5Std.
Danke für das Rezept!
IMG_20190208_123720.jpg
Gruß Ralf
Du hast keine ausreichende Berechtigung, um die Dateianhänge dieses Beitrags anzusehen.
I didn‘t climb up the ladder of evolution to be a vegetarian.
Benutzeravatar
Jemand
Meister des Rauches
Meister des Rauches
Beiträge: 1500
Registriert: Do 2. Mär 2017, 18:37
Vorname: Uwe
Wohngegend: Cloppenburg
Land: Niedersachsen
Hat den Daumen gehoben: 710 Mal
"Daumen hoch" erhalten: 612 Mal

Re: Geräucherter Kochschinken , 09.10.2017

Beitragvon Jemand » Do 14. Feb 2019, 17:49

Beitrag: # 8750Beitrag Jemand »

Hallo Ralf, herzlichen Glückwunsch zum gelungenen Kochschinken. Tamas hat das in diesem Thread alles super gut erklärt, da kann eigentlich nichts schief gehen, immer vorausgesetzt man hat die passende Fleischqualität zur Hand. Jetzt wo Du es quasi wieder hoch holst, ein geräucherter Kochschinken wäre auch mal wieder an der Reihe :schi
Viele Grüße aus Cloppenburg
Uwe
:huhu

Das Gegenteil zur Pflicht ist nicht die Pflichtlosigkeit, sondern die Verantwortung.
Hans A. Pestalozzi
Antworten

Zurück zu „Schinkenrezepte u.ä. von Schwein und Rind“