Ist die eingekochte Dose wirklich steril

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Ist die eingekochte Dose wirklich steril

Beitragvon Jemand » Fr 27. Sep 2019, 20:38

Beitrag: #Beitrag Jemand »

Gehen wir der Sache doch mal auf den Grund.
Wie lange muss ich eine Konservendose mit Fleischprodukten einkochen um sie haltbar zu machen.
Wenn jemand Zeit und Muße hat das von der wissenschaftlichen Seite hier zu betrachten, wird die Versuchsreihe das mit Sicherheit deckeln.
Ausgangsmaterial ungekochte frische gekühlte Ware - sagen wir frisches Gehacktes. Alles Andere würde sich ja unterordnen.
in den Probedosen 200, 300, 400, 880 Grammdosen eingekocht. Wann erreiche ich welche Kerntemperatur unter den Druckverhältnissen?
Welche Kochzeit muss ich einhalten um ein haltbares Produkt zu erhalten und wie wirkt sich eine Verlängerung der Kochzeit aus?
Lasst uns erstmal nur dieses Fleischprodukt betrachten.
Was meint Ihr?
Ich habe da eine ganz einfache Möglichkeit gefunden, die Temperatur in der geschlossenen unter Druck stehenden Dose zu prüfen und mit 100 % zu bestimmen.
Da ich keine Zeit wegen meinem Wildküchenumbau habe, habe ich den Spezialisten von VEB Rotes Banner Dosengroßproduzenten von ganz Berlin gebeten hierzu Versuche zu starten und Licht ins Dunkle zu bringen. Ein dickes Dankeschön schonmal vorab an unseren Klausi.
Nun schauen wir mal was Ihr so meint und was er dann zu berichten hat.
Schön neugierig bleiben.
Gruß
HG
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Re: Ist die eingekochte Dose wirklich steril

Beitragvon Jemand » Fr 27. Sep 2019, 21:14

Beitrag: #Beitrag Jemand »

Das ist ein interessantes Thema.
Ich bin sehr gespannt was Kläuschen da herausbekommt.

Die Kerntemperatur kann bei der üblichen Dosen Brüherei ja nicht höher werden als die Siedetemperatur des Wassers.
Diese ist stark vom Luftdruck abhängig. Berlin ist schon mal gut da es nur knapp über Seehöhe liegt.
Bei 100m über NN siedet das Wasser an einem Standardtag (1002 hPa Luftdruck) bei 99,2 Grad.
Wenn jemand auf 900 m lebt, wird das kochende Wasser nicht mehr heißer als 97,1 Grad.
Der täglich schwankende Luftdruck hat aber auch einen starken Einfluss auf die Siedetemperatur.
In Berlin lag im Jahr 2018 der niedrigste Luftdruck bei 981,2 hPa und der höchste bei 1039,3 hPa.
Dies entspricht Siedetemperaturen von 99,1 °C bis 100,7 °C.

Die Frage ist ja nun wie lange es dauert bis die Kerntemperatur einen bestimmten Wert erreicht und wie lange man den halten muss.
Bei 100,7°C geht das sicher etwas schneller als bei 99,1 °C.

Ich hoffe mal dass man mit den üblichen 2 Stunden absolut auf der sicheren Seite liegt.
schöne Grüße
Gerd


Alle Ziele sind schon erreicht, wenn man mit dem zufrieden ist, was ist.
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Re: Ist die eingekochte Dose wirklich steril

Beitragvon Jemand » Fr 27. Sep 2019, 21:22

Beitrag: #Beitrag Jemand »

Hallo Gerd!
Der Luftdruck und Deine Betrachtungsweise bringen die Sache voran, Du wirst überrascht sein.
Ich bin auch gespannt wo wir nun 50 Jahre mit unserem Bauchgefühl und Überlieferungen gelegen haben.
Gruß
HG
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Re: Ist die eingekochte Dose wirklich steril

Beitragvon Jemand » Sa 28. Sep 2019, 06:04

Beitrag: #Beitrag Jemand »

Moin Gerd, wenn du den atmosphärischen Druck jetzt noch künstlich mit einem Autoklaven oder Schnellkochtopf auf ca. 1823,85 hPa erhöst, landest du bei einer Siedetemperatur von ca. 117°C. Da die Reaktionsgeschwindigkeit pro 10°C Erhöhung auf das 2-3 fache ansteigt, verkürzt sich die Einkochzeit erheblich und die benötigte Zeit wäre dann für alle auch gleich, egal ob Fischkopp oder Schluchtensch.... Sonst hat dieser Test nur für Leute mit vergleichbarer Höhenlage Relevanz. Man denke nur an sein Frühstücksei welches man im Skiurlaub nach normalen Zeitvorgaben kocht (ich wohne 14 m über NN) und welches dann flüssig bleibt.
Guten Appetit wünscht
Björn
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Re: Ist die eingekochte Dose wirklich steril

Beitragvon Jemand » Sa 28. Sep 2019, 06:28

Beitrag: #Beitrag Jemand »

Moin Gerd, kleiner Nachtrag. Ich bin mir bewußt ,dass die RGT-Regel bei steigender Temperaturdifferenz zunehmend indifferent wird, mir genügt Sie aber und ich muss gestehen das mir die molekularen Theorien zur Reaktionskinetik nach der Arrhenius-Gleichung und der Eyring-Gleichung zu anstrengend sind. Du darst aber gerne deinen Rechenschieber aus der Schublade holen.
Guten Appetit wünscht
Björn
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Re: Ist die eingekochte Dose wirklich steril

Beitragvon Jemand » Sa 28. Sep 2019, 07:42

Beitrag: #Beitrag Jemand »

Moin Zusammen,

ich finde es erst mal großartig das hier im Forum neben dem kulinarische Ansatz auch die wissenschaftliche Betrachtung zum Tragen kommt.
Das Thema Luftdruck könnt ihr gedanklich erst mal bei Vergleich der Ergebnisse untereinander bei Seite schieben da die Versuchsreihe am gleichen Ort stattgefunden hat.
So nun hab ich genug gesabbelt und bin echt gespannt wie Bolle zu welchen Ergebnissen ihr in euren Versuchsreihen gekommen seid.
LG Marko
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Re: Ist die eingekochte Dose wirklich steril

Beitragvon Jemand » Sa 28. Sep 2019, 11:07

Beitrag: #Beitrag Jemand »

Guten Morgen in die Runde,

ich habe mich mit HG schon vor Jahren über dieses Thema ausgetauscht als ich meinen Autoklaven angeschafft habe. Er hat schon damals die von der Familie überlieferten Erfahrungswerte beim Einkochen angewendet und immer gut gefahren. Ich dagegen verfügte nicht über solche Werte, und musste mich sachkundig machen.
Was blieb anderes übrig, als im Netzt nachzuschauen, doch dort werden recht viele Beiträge von unwissenden gepostet, so dass man sich nicht aufgeklärt fühlen kann.
Ich stieß in einem wissentschaftlichen Beitrag auf den F-Wert mit dem ich damals noch nicht viel anfangen konnte. Der Großmeister der Fachlitertur in der Fleischbranche Walter Baumgartner hat mir beim studieren sehr viel geholfen. Wer die Muße hat kann bei ihm nachschauen, ich zitiere nur die passende Antwort auf HGs Frage.

Richtwerte für Kochtabelle bei Faschierten-Braten Leberknödel usw. in Dosen
Dose im Wasserbad bei +100°C ...

1/4 Kilo 65 Minuten
1/2 Kilo 95 Minuten
1,0 Kilo 125 Minuten


Wobei die Kochzeit wird ab erreichen 95°C Kochwassertemperatur gezählt.
Diese Richtwerte sind bei Dosen anzuwenden, bei Gläsern empfiehlt er 50% mehr Koch-und Abkülzeit, weil das Material Glas kein guter Wärmeleiter ist.
Hier geht es um die Sterilisierung, denn Voll oder Tropenkonserven können nur in Atoklaven hergestellt werden.
Die Lagerfähigkeit (eigentlich ist hier die 100% sichere Verkaufsfähigkeit gemeint) der Halbkonserven gibt er bei +5-10°C und 45-55% LF mit 6 Monaten an. Im häuslichen Anwendung wird diese Zeit oft und ohne Probleme überschritten.
Liebe Grüsse aus Dresden
Tamás
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Re: Ist die eingekochte Dose wirklich steril

Beitragvon Jemand » Sa 28. Sep 2019, 12:29

Beitrag: #Beitrag Jemand »

Grüßen nach Dresden, schön mal wieder von Dir zu hören.
Ja dieser F-Wert den man bislang im Hausgebrauch nur durch Überlieferung versucht hat zu erreichen.
Ich bin echt gespannt wie genau wir das nachvollziehen können.
Einige Betrachtungen werden durch Versuche untermauert und das gibt Sicherheit.
Mich würde auch interessieren wie verhält sich die Temperatur unter Druck in der Dose.
Ist er gleich, geringer oder sogar höher?
der Klausi wird uns aufklären.
Gruß
HG
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Re: Ist die eingekochte Dose wirklich steril

Beitragvon Jemand » Sa 28. Sep 2019, 18:35

Beitrag: #Beitrag Jemand »

Neues aus der Dosen Versuchsanstalt. :ohh
Nachdem die ersten Testdosen durch sind,meinte Browi heute wir sollten doch einmal die Teststreifen auf ihre genauigkeit prüfen.
Dazu wurde ein Kesselthermometer präpariert.
DSCI0030.JPG
Die Temperatur im Einkochautomaten
DSCI0032.JPG
das Testobjekt am Gitter befestigt
DSCI0034.JPG
der Anfang
DSCI0036.JPG
das Ergebnis
DSCI0037.JPG
DSCI0042.JPG
DSCI0043.JPG
passt also
dann wurde die Temperatur für den Kessel neu eingestellt
DSCI0046.JPG
und die Temperaur vom Wasserdampf gemessen
Hierbei kam das Modell die Schwebende Jungfrau zum Einsatz
DSCI0047.JPG
das Ergebnis :?:
DSCI0048.JPG
der rechte Streifen war unbenutzt.
Das war der Test von heute.
und so geht es weiter.....
DSCI0021.JPG
Morgen gibt es dann den ersten Zwischenbericht.
Liebe Grüße aus dem Testlabor Berlin,
vom Klaus
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Re: Ist die eingekochte Dose wirklich steril

Beitragvon Jemand » Sa 28. Sep 2019, 22:24

Beitrag: #Beitrag Jemand »

Das sieht alles gut aus.
Ich bin gespannt wie es weitergeht.

Noch eine Anmerkung zum Druck in den Dosen.
Aus meiner Sicht kann nur ein sehr kleiner Überdruck entstehen. Falls das Wasser in der Dose sieden sollte, würde der Dampf einen Druck erzeugen. Durch diesen höheren Druck würde aber der Siedepunkt In der Dose ansteigen und die Verdampfung stoppen. Da kann sich also nicht viel tun.
schöne Grüße
Gerd


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